Brainspotting: Therapie auf den Punkt gebracht

Langsam wandert der Zeigestab in Augenhöhe des Klienten von rechts nach links. Die Augen folgen aufmerksam der Bewegung, im Raum herrscht gespannte Stille. Plötzlich ein Zucken im Gesicht, die Mundwinkel bewegen sich fast unmerklich. Prompt erfolgt die Rückmeldung des Klienten: „An diesem Punkt wird der Druck auf der Brust stärker.“ Wir haben den Brainspot gefunden – den springenden Punkt in dieser Behandlung.

Herr S. ist wegen seiner Schlafschwierigkeiten zu mir gekommen. In einigen Gesprächen haben wir uns mit förderlichen und hinderlichen Rahmenbedingungen für einen gesunden Schlaf auseinandergesetzt. Auch die Entstehungsgeschichte und mögliche Ursachen der Schlafstörung haben wir analysiert.

Von seinem Hausarzt wird Herr S. medizinisch betreut und erhält Medikamente für besonders schwierige Phasen. Herr S. war bereits öfter in Therapie, denn die Schlafstörungen begleiten den 47-Jährigen seit seiner Jugend. Er hat Entspannungstechniken erlernt, versucht mehrmals pro Woche Sport zu machen und einen geregelten Tagesablauf einzuhalten. Manchmal gelingt ihm das Schlafen besser, nun ist schon wieder seit einigen Wochen „der Wurm drin“, wie er sagt.

An diesem Punkt versuchen wir es mit einem neuen Zugang: Brainspotting ist eine relativ junge Methode, um emotionale Blockaden des Gehirns aufzuspüren, ohne diese im Gespräch bewusst anzusteuern. Dabei nutzt man die Anatomie des menschlichen Gehirns: Bilder, die wir sehen, wandern auf dem Weg vom Auge zum Sehzentrum quer durch unser Gehirn – vom Gesicht bis zum Hinterkopf. Dabei können emotional stark besetzte Bilder Spuren hinterlassen, die Blockaden verursachen. Oft wissen wir nicht, was genau uns emotional stark berührt hat oder die Erinnerung ist verschüttet, sodass wir keinen bewussten Zugriff darauf haben. Mithilfe des Brainspotting können wir diese Punkte identifizieren und die Blockaden lösen.

Das möchte Herr S. nun versuchen: Entspannt sitzt er mir gegenüber und fixiert die Spitze des Zeigestabs, den ich langsam durch sein Sichtfeld bewege – zuerst von rechts nach links, dann von oben nach unten. Unser Gespräch dreht sich um die Körperwahrnehmung, die er der Schlaflosigkeit zugeordnet hat, den Druck auf der Brust. Dieses Gefühl ist manchmal schwächer, manchmal stärker, je nachdem, wo sich der Zeigestab und damit der Blickpunkt befinden. Der Brainspot ist dabei jener Punkt, an dem die körperliche Empfindung besonders stark, aber noch gut aushaltbar ist.

Haben wir ihn gefunden, schildert Herr S. seine spontanen Gedanken und Erinnerungen: Er erzählt von Situationen aus seiner Volksschulzeit, Bildern, die plötzlich auftauchen, die er aber nicht zuordnen kann. Einige der Erinnerungen überraschen ihn. Während dieses intensiven Prozesses wird die Körperempfindung immer schwächer, schließlich ist sie fast verschwunden. Der Brainspot ist durchgearbeitet.

Bild von Mylene auf pixabay

In mehreren Sitzungen bearbeiten wir unterschiedliche Brainspots. Herr S. spricht gut auf die Behandlung an und seine Schlafqualität verbessert sich. Nach einigen Wochen kann er die Dosis seiner Medikamente reduzieren.

Herr S. zieht ein erstes Fazit: „Ich weiß zwar noch immer nicht genau, wie das Brainspotting funktioniert, aber ich habe den Eindruck, es hat etwas verändert. Ich fühle mich nun insgesamt wieder ruhiger und ausgeglichener, als hätte ich einen Teil von mir zurückbekommen, der mir vorher gefehlt hat“.

Mehr zur Methode erfährst du auf der Seite von Brainspotting Austria.

Die Fallgeschichte ist real, aber so verfremdet, dass keinerlei Rückschluss auf die Klient*innen möglich ist. So bleibt die Vertraulichkeit gewahrt und andere Personen können von den erarbeiteten Hilfestellungen profitieren.

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